Heinrich-Rosenberg-Platz - Eingabe an die Stadt Freiburg
Heinrich-Rosenberg-Platz - Eingabe an die Stadt Freiburg

Heinrich-Rosenberg-Platz - Eingabe an die Stadt Freiburg

30.11.2017

Friedrich-Gymnasium reicht bei der Stadt Freiburg einen Vorschlag zur Umbenennung des Ludwig-Aschoff-Platzes ein.

Als erste Stadt in Deutschland hat Freiburg seine 1300 Straßennamen unter die Lupe genommen, um zu überprüfen, ob sich nach heutigem Wissensstand manche Namensgeber der aktiven Förderung der nationalsozialistischen Diktatur schuldig gemacht haben. Zwölf nationalsozialistisch belastete Straßennamen sollen nun einzeln im Gemeinderat überprüft und ggf. umbenannt werden. Der Empfehlung einer eigens einberufenen Historiker-Kommission folgte der Freiburger Gemeinderat im November 2016. 
Die Federführung für das Projekt hatte das Kulturamt, Abteilung Stadtarchiv. Der Historiker Volker Ilgen war zuständig für die Recherche, Professor Bernd Martin leitete eine achtköpfige Kommission aus Historikerinnen und Historikern, einer Soziologin, einer Politologin, Archivarinnen und Archivaren, die die einzelnen Straßennamen überprüften und bewerteten und ihre Ergebnisse in einem Abschlussbericht der interessierten Öffentlichkeit zugänglich machten.

 
 

Ludwig-Aschoff-Platz in Freiburg-Herdern

Der nach dem Pathologen Ludwig Aschoff (1866-1942) benannte Platz vor dem Friedrich-Gymnasium soll dringend umbenannt werden. Das befindet und empfiehlt der Stadt Freiburg einstimmig eine eigens zur Überprüfung der Freiburger Straßennamen einberufene Historikerkommission.

Aschoff, 1906-1935 Professor für Pathologie in Freiburg war Anhänger der nationalsozialistischen Weltanschauung im Dritten Reich, was sich auch in seinem Lebenswandel und seiner Arbeit niederschlug. In der Begründung der Kommissionsempfehlung heißt es:

"Aschoff war das Bindeglied zwischen den nationalkonservativen alten Eliten und den neuen Machthabern. Als Doyen der deutschen Pathologie muss er als Wegbereiter für die Verbreitung völkisch-rassistischer Ideen gelten. Seine (weltweite) geistige Beeinflussung jüngerer Kollegen steht außer Frage wie seine Stützung der nationalsozialistischen Herrschaft. Hauptquelle ist der (ehemalige) Freiburger Medizinhistoriker Cay-Rüdiger Prüll mit seiner Publikation 'Ludwig Aschoff (1866-1942): Wissenschaft und Politik in Kaiserreich, Weimarer Republik und Nationalsozialismus. Die Freiburger Medizinische Fakultät in der Weimarer Republik und im ‘Dritten Reich’.“

Ludwig-Aschoff-Platz
Ludwig-Aschoff-Platz
 
 

Das Friedrich-Gymnasium Freiburg am Ludwig-Aschoff-Platz

Der Ludwig-Aschoff-Platz ist freiliegend, an keine Anwohneradresse gebunden, der unmittelbare Anrainer des Platzes ist das Friedrich-Gymnasium Freiburg-Herdern, für die Schüler unserer Schule ist der Platz ein überaus beliebter Aufenthaltsort in Pausen und unterrichtsfreien Zeiten.

 
 

Eingabe der Gremien des Friedrich-Gymnasiums

Die Freiburger Straßenumbenennungskommission unter Prof. Bernd Martin spricht die Empfehlung aus, unsere Schule an der neuen Namensfindung zu beteiligen. "Bei der Umbenennung könnte das den Platz beherrschende Friedrich-Gymnasium einbezogen werden, etwa im Sinne eines in der Oberstufe angesiedelten historischen (Forschungs-)Projektes."

QUELLE: http://www.freiburg.de/pb/site/Freiburg/node/1017982/Lde/zmdetail_14786901/Ludwig+Aschoff+Platz.html?zm.sid=zmarvxn3dvw2

Das Friedrich-Gymnasium weist ein solches, „in der Oberstufe angesiedeltes historisches Projekt“ vor, das Forschungsgegenstand im Schuljahr 2012/2013 war. Auf Basis dieses Projektes und der bundesweiten Würdigung und Prämierung seiner Ergebnisse schlägt das Friedrich-Gymnasium im Zuge der Straßenumbennenungsanhörungen nach Einbeziehung sämtlicher Gremien (Schülerschaft, Lehrerschaft und Direktion, Elternschaft) vor, den ehemaligen Ludwig-Aschoff-Platz in Freiburg-Herdern in


HEINRICH-ROSENBERG-PLATZ


umzubenennen.

 
 

Schüler erforschen ihre Geschichte

Die Schulgemeinschaft des Friedrich-Gymnasiums möchte mit ihrer Initiative gegenüber Schülern, Schülereltern, Lehrern und Anrainern im Stadtteil Herdern den Wert einer aktiven, gelebten Erinnerungskultur unterstreichen und der historischen Verantwortung gerecht werden, die aus der unmenschlichen und widerrechtlichen Entfernung ihres damaligen Mitschülers Heinrich Rosenberg unter dem verbrecherischen Regime der Nationalsozialisten resultiert.

Ludwig Aschoff stand seinerzeit dem Friedrich-Gymnasium nahe und gestaltete das Schulleben am Friedrich-Gymnasium aktiv mit. Die Historiker-Kommission wertet ihn als „Wegbereiter für die Verbreitung völkisch-rassistischer Ideen“.

Heinrich Rosenberg war Freiburger, war Herdermer und seinerzeit Schüler des Großherzoglichen Friedrichsgymnasiums. Heinrich Rosenberg lebte und wohnte in direkter Nachbarschaft des Friedrich-Gymnasiums und heutigen Aschoff-Platzes (Jacobistraße 50). Rosenberg wurden in seinen jungen Jahren alle Räume und Möglichkeiten jeglicher Gestaltung und Lebensentfaltung verwehrt. Unter dem Nationalsozialismus wurde ihm aufgrund seiner jüdischen Abstammung die Berechtigung des Schulbesuchs am Friedrich-Gymnasium verwehrt. Rosenberg wurde deportiert und schließlich in Auschwitz ermordet. Heinrich Rosenberg wurde knapp 19 Jahre alt.

Die Schüler des Friedrich-Gymnasiums werden durch die Straßenumbenennung vertraut gemacht mit der Biografie eines ehemaligen Mitschülers, der wie sie in jungen Jahren das Friedrich-Gymnasium besuchte, in unmittelbarer Nachbarschaft zur Schule lebte, den heutigen Aschoff-Platz und das Schulhaus frequentierte und durch das nationalsozialistische Regime um Bildungsmöglichkeiten, Selbstverwirklichung, schließlich um sein Leben gebracht wurde.

Es waren Schüler des Friedrich-Gymnasiums, die mit großem Engagement die Biografie ihres ermordeten ehemaligen Mitschülers Heinrich Rosenberg recherchiert, erforscht und der Freiburger Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht haben.

Heinrich Rosenberg hat durch eine Abiturientin seiner ehemaligen Schule Eingang in das aktive Gedenken in Herdern gefunden. Eine Würdigung seines zu kurzen, nicht verwirklichten Lebens, ist ein politisches, heimatgeschichtliches und pädagogisches Signal gerade auch an die Gymnasiasten des Friedrich-Gymnasiums kommender Generationen und bedeutet ein unmittelbares und verantwortungsbewusstes Aufgreifen der lokalen Zeitgeschichte des Freiburger Stadtteils Herdern mit seinen dramatischen und tragischen Brüchen des 20. Jahrhunderts.

Stolperstein Heinrich Rosenberg
Stolperstein Heinrich Rosenberg
 
 

Biografie des FG-Schülers Heinrich Rosenberg

Freiburg 1933: Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten ändert sich in Deutschland schlagartig die politische Stimmung. Der jüdische Teil der Gesellschaft hat fortan in unvorstellbarem Ausmaß unter den neuen Machthabern zu leiden. Es beginnt die systematische, antisemitische Ausgrenzung. Es ist verboten ins Schwimmbad zu gehen, das Kino zu besuchen, dieselben Parkbänke wie Nicht-Juden zu benutzen; jüdische Geschäfte werden boykottiert, Mischehen werden nicht geduldet.

In dieser Zeit wächst in Freiburg-Herdern, in der Jacobistraße 50 der Jude Heinrich Rosenberg auf, Sohn eines Großeisenhändlers. Er besucht das Friedrich-Gymnasium, doch wird er 1938 gezwungen die Schule zu verlassen, Juden werden an weiterführenden Schulen nicht mehr geduldet. 

Im Oktober 1940 schließlich, werden Heinrich Rosenberg und seine Mutter Opfer der Deportation nach Südfrankreich in das Internierungslager Camp de Gurs. Ein völlig unerwarteter Schlag, der für die meisten der über 6500 deportierten badischen und saarpfälzischen Juden den sicheren Tod bedeutet. Die Zustände im Lager sind katastrophal: es gibt zu wenig Nahrung, die Unterbringung bietet keinen Schutz vor Kälte und Nässe, ganz zu schweigen von den menschenunwürdigen hygienischen Umständen. Epidemien breiten sich aus und nach dem ersten Winter trauert man schon um über 1000 Tote.

1942 wird auf der Wannsee-Konferenz Berlin die „Endlösung“, die nationalsozialistische Vernichtung des europäischen Judentums beschlossen. Und schon rollen Deportationszüge aus Südfrankreich Richtung Osten in die Vernichtungslager. Im September 1942 stehen auch Heinrich und seine Mutter auf der Liste. Gemeinsam werden sie nach Auschwitz deportiert, von wo sie nicht mehr zurückkehren. Heinrich Rosenberg wurde knapp 19 Jahre alt.

Seit 2002 existiert die private, ehrenamtliche Initiative „Stolpersteine für Freiburg“. Sie verlegt Stolpersteine für alle Opfer des NS-Regimes und setzt sich mit der Geschichte jedes Einzelnen auseinander. In der Jacobistraße wurden vor dem ehemaligen Haus der Familie Rosenberg auch Stolpersteine für Heinrich Rosenberg und seine Eltern verlegt.

 
 

Erforschung der Biografie Heinrich Rosenbergs am Friedrich-Gymnasium Freiburg

Im Schuljahr 2012/2013 haben Oberstufenschüler im Zuge des Forschungsprojektes „IM WANDEL DER ZEIT. Die Geschichte des Friedrich-Gymnasiums Freiburg“ in bemerkenswerten Arbeiten die über hundertjährige Geschichte ihrer Schule erforscht.

Im Zuge dieses Projektes hat die damalige Oberstufenschülerin und Abiturientin des Jahres 2014 Elena Muggenthaler ihre Forschungsarbeit Heinrich Rosenberg. Freiburg - Gurs – Auschwitz. Eine Spurensuche realisiert und auch als Dokumentarfilm produziert. 

Elena Muggenthalers schriftliche Forschungsarbeit wurde

- im Stadtarchiv, Freiburg
- im Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Stuttgart

archiviert.

Am 20. November 2014 wurde Elena Muggenthalers Arbeit bei der Verleihung des 33. Landespreises für Heimatforschung vorgestellt und mit dem Jugendförderpreis des Landespreises für Heimatforschung ausgezeichnet. Stifter und Ausrichter des Preises sind das Land Baden-Württemberg (Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst) und der Landesausschuss für Heimatpflege.

Für ihre dokumentarische Arbeit über den ehemaligen jüdischen Mitschüler Heinrich Rosenberg, wurde Elena Muggenthaler im Rahmen des Jugendwettbewerbs "Denktag" der Konrad-Adenauer-Stiftungam 27. Januar 2015 in der Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin vom Bundestagspräsidenten Prof. Dr. Norbert Lammert und dem ehemaligen Generalsekretärs des Zentralrates der Juden, Stephan Kramer mit dem 2. Platz geehrt.

In der Begründung der Jury heißt es:

„Heinrich Rosenberg – Eine Spurensuche“ ist die bemerkenswerte Recherche eines einzelnen Schicksals, das exemplarisch für Millionen Anderer steht. Eine sehr bewegende Internetdokumentation, mit beeindruckenden filmischen Leistungen und sehr schön dokumentierten und nachvollziehbaren Recherchewegen."


Gregor Delvaux de Fenffe, OStR

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