01.08.2021
Nach über einem Jahr ohne Exkursionen und Ausflüge aufgrund der immer noch andauernden Coronapandemie, konnten wir mit der Kursstufe 1 unmittelbar vor den Sommerferien gemeinsam eine lehrreiche Fahrt zum Hartmannsweilerkopf im Elsass unternehmen. Begleitet wurden wir dabei von unseren Klassenlehrern Frau Müntefering und Herrn Delvaux de Fenffe. Ein Exursionsbericht von Josefine Rump [KS1].
Dank
der spontanen Ideenfindung und Organisation von Herrn Delvaux de Fenffe, stand
der Ausflugstag ganz im Zeichen der bewegten deutsch-französischen Geschichte
und des hundertjährigen Gedenkens an den Ersten Weltkrieg.
Am frühen Morgen sind wir nach obligatorischer Testung und selbstverständlich
mit aufgesetzter Maske tatsächlich mit dem Bus nach Frankreich aufgebrochen. Spätestens bei Erhalt der immergleichen SMS vom
Roaming-Anbieter, der uns über die von nun an geltenden Tarife und horrenden
Preise höflich informierte, merkten schließlich alle, dass wir nur knapp eine
dreiviertel Stunde nach Abfahrt bereits die Grenze überfahren hatten. Dösend,
Karten spielend und mit Kopfhörern in den Ohren vor uns hin sinnierend,
näherten wir uns Stück für Stück dem Hartmannsweilerkopf mitsamt seiner
unglaublichen Geschichte.
Der Hartmannsweilerkopf (Hartmannswillerkopf auf elsässisch) ist eine Bergkuppe von 956 Metern Höhe in den Südvogesen, von der aus der Besucher einen herrlichen Ausblick in die Rheinebene genießt. Dieser Ausblick des „Vieil Armand“ (so der eigentliche Name des Berges) sollte ihm vor genau hundert Jahren zum Verhängnis werden, - die Aussichtsplattform war der Grund, dass die kleine Erhebung im Ersten Weltkrieg ein heftig umkämpftes Gebirgsschlachtfeld werden sollte.
"Mangeur d’hommes", Menschenfresserberg sollten ihn die Soldaten des Ersten Weltkriegs bald taufen, ausladende Materialschlachten spielten sich hier zwischen den erbittert kämpfenden Franzosen und Deutschen ab und gleich achtmal wechselte der Berg im Verlauf der blutigen Auseinandersetzungen im Jahr 1915 den "Besitzer". Artilleriebeschuss und Giftgaseinsätze versehrten und vernarbten die Anhöhe und wie ein Spinnennetz legten die erbitterten Feinde ein Gewirr von 90 Kilometern Schützengräben und Laufgräben quer um und durch den Berg.
Bis
zu 30.000 deutsche und französische Soldaten verloren am Hartmannsweilerkopf
ihr Leben. Im August 2014 trafen sich die damaligen Präsidenten Hollande und
Gauck und legten feierlich den Grundstein für eine gemeinsame Gedenkkultur, die
in einer Gedenkhalle und dem Historial du Hartmannswillerkopf ihren
Niederschlag fand.
Das seit dem 3. August 2017 eröffnete „Historial“, ein beeindruckendes Museum
über die zerstörerischen Konfrontationen im Ersten Weltkrieg, verschaffte uns
allen erst einmal einen ersten groben Überblick über das Geschehen von
1914-1948 und bot zusätzlich auch einen detaillierten Blick auf die elsässische
Geschichte und die Bedeutung des Hartmannsweilerkopfes im Ersten Weltkrieg,
sodass sich die BesucherInnen sowohl mit der globalen, als auch mit der lokalen
Dimension gut vertraut machen konnten.
Unterstützend wirken einzelne Touchbildschirme, die ein spielerisch-interaktives Lesen und Lernen ermöglichen. Auch verschiedene kleine Holz- und Plastik- Modelle, wie zum Beispiel das der bekannten Seilbahn am Hartmannswillerkopf, brachten die gelesenen Informationen haptisch näher und machten sie so leichter verständlich. Für mehr Verständnis sorgen außerdem zwei Kurzfilme. Der eine behandelt den Weg in den Krieg und seine Vorrausetzungen, der andere erzählt aus der Ich-Perspektive eines deutschen und eines französischen Soldaten das erlebte Kriegsgeschehen in einer kreativen Bewegtbild -Montage. Das stieß natürlich besonders bei den eher Lesefauleren unserer Stufe auf große Begeisterung.
Eine kurze Verschnaufpause später, begrüßte uns unser elsässischer, perfekt zweisprachiger Guide und zusammen mit ihm begaben wir uns Richtung „Memorial“. Dieses zählt zusammen mit Douaumont im Departement Meuse, Notre-Dame-de-Lorette im Departement Pas-de-Calais und Dormans im Departement Marne, zu den vier französischen Nationaldenkmälern des Ersten Weltkriegs. Das 1925 auf Idee des Architekten Robert Danis realisierte Gebäude besteht aus zwei Elementen: einem vergoldeten Vaterlandsaltar, der auf dem Dach des 60 mal 60 Meter großen Gebäudes steht und einer Krypta, in die BesucherInnen durch einen 80 m langen Gang gelangen, der an einen Schützengraben erinnern möchte.
Nach Ankunft beim Altar und einer kurzen räumlichen Orientierung, erhielten wir im
Anschluss eine beeindruckende „visite
guidée du champ de bataille“, eine Führung über die Schlachtfelder, die uns
tief in die verzweigten „tranchés“,
die Lauf- und Schützengräben der durch die Kriegshandlungen versehrten und
vernarbten Bergkuppe eindringen ließ.
Ein paradoxes Bild tat sich da vor uns auf: Unheimlich, nahezu inszeniert wirkten die sich schlängelnden Gräben, durch die wir liefen. Fast schon wie dekoriert wirkten sie durch die aus dem Boden herausragenden Stacheldrahtzaunspitzen und Eisenteile, die wie zufällig verstreut rechts und links am Wegesrand verteilt lagen. Auch die vielen Wildblumen auf den weiten Wiesen und die herrlich warme Julisonne, die zwischen den hunderten Kreuzen und Bunkern immer wieder kraftvoll hindurchschien, ließ die gesamte Situation geradezu surreal wirken. Die Vorstellung, durch diese Gräben seien einmal französische und deutsche Soldaten – vielleicht unsere Vorfahren und Urgroßeltern – marschiert, ständig einen erneuten Angriff der starken Artillerie fürchtend, passte nicht mit dem friedlichen, vom Vogelgezwitscher umrahmten Anblick zusammen, der sich uns bot. Und doch wurde uns allen mit jedem weiteren Schritt auf dem von Baumwurzeln und Stacheldraht gespickten Kampfboden bewusster, dass das, was wir in den vergangenen Jahren im Geschichtsunterricht besprochen hatten, nicht bloß hölzerne Daten, taktisch-theoretische Kriegsstrategien und Bilanzen fernab unserer heutigen Wirklichkeit waren. Es war die bittere Realität tausender, oft sehr junger Soldaten, die durch das Erlebte umkamen oder für ihr Leben gezeichnet wurden.
Die trockenen Fakten aus den zerknitterten Geschichtsbüchern bekamen Farbe und Form, das Erlernte wurde erfahrbar. Denn auf einmal schritten wir strammen Schrittes durch die von Leid und Kampf mitgenommene Landschaft, schlüpften in Bunker, hielten Ausschau und blickten durch Gucklöcher der ehemaligen Unterstände.
So zeigten alle ein genuines Interesse sowohl an den Museumsinhalten, als auch an der Führung und stellten einige Rückfragen, deren Beste von unserem Guide mit einer originalen Patronenhülse vom Schlachtfeld belohnt wurde.
Nach der geschichtsträchtigen Spurensuche durch die wechselvolle deutsch-französische Vergangenheit, wurde uns einmal mehr bewusst, wie wichtig Erinnerungskultur, das bewusste Erinnern von Geschichte um uns herum tatsächlich ist. Der Ausflug wurde deshalb größtenteils positiv aufgefasst und als „willkommener Tapetenwechsel“ beschrieben. Nach Frankreich, ins Ausland, zu fahren, löste Vorfreude aus, aber auch Freude darüber, „dass man in den letzten Tagen noch wohin fahren kann und nicht in die Schule gehen muss“. Vor allem aber hat uns der Ausflug zum Hartmannsweilerkopf beeindruckt. Nicht nur das imposante Denkmal, besonders auch das Wandern, das Erfahren der Schützengräben hallte noch über die Heimfahrt hinaus nach. Teils ernüchtert, teils auch erschrocken über die Brutalität begaben wir uns schließlich nach Ende der Führung auf eine stillere, nachdenklichere Heimfahrt.
Josefine Rump [KS1]