Camp de Gurs: Gedenkfahrt mit FG-Schülern
Camp de Gurs: Gedenkfahrt mit FG-Schülern

Camp de Gurs: Gedenkfahrt mit FG-Schülern

22.11.2018

Alljährlich veranstaltet der Bezirksverband Pfalz eine Gedenkfahrt in das ehemalige NS-Lager Camp de Gurs mit Jugendlichen aus der Pfalz und Baden. Dabei steht das Gedenken der pfälzischen und badischen Juden, die am 22. Oktober 1940 in das an Fuße der Pyrenäen liegende Internierungslager in Gurs deportiert wurden, im Mittelpunkt. In diesem Jahr hat das Protokollreferat der Stadt Freiburg drei FG-Schülern die Teilnahme an der Gedenkfahrt ermöglicht: Johanna Schock (KS2), Nina König (KS2) und Emil Rau (KS2) berichten von ihrer Teilnahme.

Der 22. Oktober 1940 sollte eigentlich ein Festtag sein: Sukkoth, ein Tag des jüdischen Laubhütten­fests. Doch stattdessen wurden die Juden aus Baden und der Saarpfalz frühmorgens aufgeweckt und ihnen wurde befohlen, ein Gepäckstück und ein wenig Geld mitzunehmen. Es waren Gestapo- und Polizeibeamte, die unter Geheimhaltung die erste Deportation von Juden durchführten. 6500 Juden wurden an die­sem Tag aus Baden und der Pfalz deportiert, in einen engen Zug gepfercht und kamen nach tage­langer Reise in Gurs an.

Camp de Gurs: Gedenkfahrt
Camp de Gurs: Gedenkfahrt

Gurs ist ein kleiner Ort in Frankreich, er liegt beschaulich am Fuße der Pyrenäen. Eine hügelige Land­schaft, Wald, Felder, Bauernhöfe, mittelalterliche Kleinstädte. Für Kurt Maler, Zeitzeuge, war es da­mals die „Hölle im Paradies“. Gurs ist nämlich auch ein Internierungslager für spanische Bürgerkriegs­flüchtlinge, später für die deutschen Juden.

Dorthin führte uns drei die jährliche Gedenkfahrt einer Delegation, die sich aus Mitgliedern der jü­dischen Gemeinde, Mandatsträgern aus Baden und der Pfalz und etwa dreißig Jugendlichen zusammensetzte. Die einmalige Chance, daran teilzunehmen, ermöglichte uns Herr Delvaux de Fenffe, unser Französisch- und Geschichtslehrer. Am Samstag, den 29. Oktober, startete unser Flugzeug nach Pau-Pyrenées. Unser Programm war dicht gestaffelt: An diesem Tag sah es eine Zeremonie auf dem Deportiertenfriedhof vor, bei der Vertreter der verschiedenen Gruppen Reden hielten. Auch französische Repräsentanten waren dabei. Beim Abendessen in der mittelalterlichen Stadt Navarrenx verbreiteten die jüdischen Delegierten mit hebräischen, energiegeladenen Gesängen gute Laune.

Camp de Gurs: Gedenkfahrt
Camp de Gurs: Gedenkfahrt

Tags darauf trafen wir den Gurs-Überlebenden Kurt Maier, der uns von seinen Erfahrungen als Kind im Lager und von seiner Jugend in Kippenheim berichtete. Er wurde ebenfalls am 22. Oktober von Kippenheim im Schwarzwald nach Gurs deportiert, doch im gelang ein paar Monate später die Flucht nach Amerika. Heute lebt er in Washington und besucht einmal im Jahr Deutschland, um dort seine Lebensgeschichte zu erzählen. Uns überraschte, wie viele Details er auch noch aus der Zeit vor seiner Deportation wusste.

Um den Alltag in Gurs näher kennenzulernen, las der Historiker von der Gurs-Insassin Gretl Drexler eine Auswahl ihrer Briefe vor. Gurs ist nicht nur ein riesiges Gefängnis gewesen, sondern auch ein Ort der Kultur, da viele Insassen Künstler waren.

Am Mittag konnten wir schließlich das Gelände besuchen. Viel ist nicht übrig geblieben: die hölzernen Baracken sind längst verschwunden, auf der Fläche des gesamten Lagers wächst nun ein ungefähr siebzig Jahre alter Wald. In den Fünfzigerjahren ließ Frankreich diesen Wald absichtlich pflanzen, um buchstäblich „Gras über die Sache wachsen zu lassen“. Da das Dritte Reich die Juden zwar deportierte, aber keine Unterbringung für diese organisierte, ist das besetzte Frankreich zu­ständig für die Versorgung von 6500 Juden gewesen und wählte provisorisch das Sommerlager Gurs aus. Gurs ist also ein Beispiel dafür, wie das Dritte Reich den Antisemitismus in ganz Europa förderte und wie Frankreich bis heute diese Schuld nur teilweise aufarbeiten kann.

Camp de Gurs: Gedenkfahrt
Camp de Gurs: Gedenkfahrt

Was ist Gurs eigentlich? Für uns ist es ein Ort, der sich nicht fassen lässt, nicht in Wörter übertragen. In Gurs lebten Menschen, die sich mit ihrer Situation irgendwie arrangierten wie Gretl Drexler, und Menschen, die ihr ganzes Leben ein Trauma wie Kurt Maier davontrugen. In Gurs wurde nicht wie im KZ die Insassen ermordet oder zum Arbeiten gezwungen. Trotzdem schwebte die Erwartung des Todes über allem, da die Insassen auf ihre Deportation nach Auschwitz warteten. Man kann Gurs in keine Schublade stecken, es ist das baumlose Lager voller Schlamm und der friedlich wirkende Wald von heute zusammen. Gurs bedeutet sowohl deutscher Hass und grenzenloses Verbrechen, als auch das französische Zögern, sich der Geschichte zu stellen.

Für uns war Gurs eine außergewöhnliche Erfahrung. Dabei ist vor allem interessant, wie mit dem Ge­denken umgegangen wird und wurde. Die eindrucksvolle Zeremonie, die tadellose Organisation dieser jährlichen Reise und dass wir die Möglichkeit bekamen, einen Zeitzeugen zu sprechen, stehen im krassen Gegensatz zu dem Wald, der das Lagergelände bedeckt und der Tatsache, dass es dem Bürgermeister von Gurs seit langem nicht gelingt, Förderungsgelder für ein geplantes Museum zu bekommen. Um jedoch zu verhindern, dass die Erinnerung an diese dunkle Vergangenheit erlischt, ist es extrem wichtig, vor allem für uns Jugendliche, dass solche Gedenkfahrten weiter organisiert werden. Denn die Opfer waren Menschen wie wir, die in unserer Stadt lebten, die auf unsere Schule gingen und die nur zufällig zur falschen Zeit geboren wurden. Nur indem wir uns das ins Gedächtnis rufen, treten die abstrakten Zahlen und Daten zurück und das Schicksal der einzelnen Menschen wird uns bewusst. Wir lernen aus den Schrecken der Vergangenheit, um eine bessere Zukunft schaffen zu können.

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