05.04.2023
Im Rahmen einer vierstündigen Unterrichtseinheit beschäftigten sich die Schüler*innen der Klassen 7b und 10a im Fach Mathematik mit dem lernförderlichen Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Herr Dr. Bronner berichtet.
Zur Einführung in das Thema der „Künstliche Intelligenz“
erhielten die Schüler*innen zunächst einen kurzen Lehrervortrag. Dabei ging es neben
der Funktionsweise von ChatGPT (stochastischer Papagei) um mögliche Einsatzszenarien
für Schüler*innen (Lernhelfer, Lehrer-Chat-Bot) sowie um die Gefahren bei der
unreflektierten Nutzung (halluziniert, zitiert nicht, erfindet Quellen, Daten
von 2021, verbreitet Fake-News, …). Im anschließenden Lehrer-Schüler Gespräch
wurden die Auswirkungen der neuen Technologien auf die Berufs- und Arbeitswelt
thematisiert.
Nach der Einführung durften die Schüler*innen das KI-Tool ChatGPT über eine datenschutzkonforme API-Anbindung auf schuleigenen Tablets selbst erproben. Ein wichtiges Unterrichtsziel war dabei, dass die Schüler*innen lernen, Prompt-Antworten kritisch zu reflektieren und ihre Rechercheergebnisse ggf. mit Hilfe anderer Quellen zu überprüfen.
In der Klasse 7b haben sich die Schüler*innen die Division von Brüchen (Thema der 6. Klasse) von ChatGPT erklären lassen (Bild 1) und anschließend den erzeugten Text fachlich bewertet. Danach sollten sich die Schüler*innen drei Mathematikaufgaben zum Thema erstellen lassen - und die Lösung analog im Heft berechnen (Bild 2). Anschließend wurde ChatGPT um eine ausführliche Musterlösung der drei Aufgaben gebeten, wobei die Rechenwege zwischen Heft und Chatbot verglichen werden sollten.
Schließlich ging es in der Klasse 7b um das Lösen von Zahlenrätseln: Schafft es ChatGPT, aus einem Rätseltext eine mathematische Gleichung mit der Variablen x zu erzeugen und diese vollständig und verständlich zu lösen?
Im Unterricht der Klasse 10b gab es fachlich anspruchsvollere Aufgaben, wie z. B. die Bestimmung von Extrempunkten von Funktionen. Neben ChatGPT wurden in beiden Klassen auch mathematische KI-Apps wie „PhotoMath“ als Lernunterstützung thematisiert.
Auf dem mathematischen Niveau der Mittelstufe und Oberstufe sind die Schüler*innen im Unterricht nicht an die Grenzen der KI gestoßen - dafür eignen sich vor allem die geisteswissenschaftlichen Fächer (Grenzen der Urteilsfähigkeit, Überprüfung des Faktengehalts, ...).
Neben dem mathematischen Einsatz von KI-Tools als Lernhelfer sollten sich die Schüler*innen beider Klassen auch mit den Chancen und Risiken von ChatGPT z.B. zur Unterstützung bei der Bearbeitung von Hausaufgaben beschäftigen. Für die Diskussion wurden Lernenden in Partner-Teams aufgeteilt. Jede Gruppe erhielt dabei eine Diskussionskarte (Quelle: DoodleTeacher) mit einer bestimmten Fragestellung (Bild 4). Die Beantwortung und die Diskussion mit den anderen Gruppen erfolgte auf einer digitalen, datenschutzkonformen Kollaborationsplattform (TaskCard-Board).
Im digitalen Board sollte jede Gruppe unter a) die Frage zunächst selbst beantworten. Unter b) sollte eine von ChatGPT generierte Antwort eingefügt werden. Unter c) konnte die nachfolgende Partnergruppe die Antworten der Gruppe (a) mit den Antworten von ChatGPT (b) vergleichen.
Anonymisierte Diskussion der Klasse 10a
(Genehmigung der Lernenden zur
Veröffentlichung liegt vor): http://bit.ly/40h2BZi
Der Einsatz des KI-Tools ChatGPT durch die Schüler*innen im
Unterricht erfolgte datenschutzkonform über einen API-Softwareanbieter aus
Deutschland (Fobizz). Die Lernenden erhielten von der Lehrkraft einen
temporären individuellen Account (ohne E-Mail-Adresse), der nach 24 Stunden
gelöscht wurde. Die Lernenden griffen über schuleigene Tablets auf die
API-Applikation zu - private Endgeräte waren nicht erlaubt. Im Unterricht durften
keine persönlichen Daten in die Prompts eingegeben werden.
Das Kultusministerium Baden-Württemberg fordert und fördert den aktiven sowie kritischen Umgang mit KI-Tools zum Lehren und Lernen im Klassenzimmer: „Künstliche Intelligenz muss aktiv im Schulunterricht behandelt werden, da die Schülerinnen und Schüler lernen müssen, mit dieser neuen Technologie umzugehen […]. Es ist auch essenziell, sie darüber aufzuklären, welche Gefahren, aber auch welche Chancen und Vorteile künstliche Intelligenz bietet. Ziel ist, den Kindern und Jugendlichen einen verantwortungsbewussten Umgang mit digitalen Medien zu lehren und dabei die gesellschaftliche Realität miteinzubeziehen. […} Zudem werden Text-KI-Tools von Lehrkräften als methodisch-didaktische Werkzeuge verwendet.“ (Quelle: km-bw.de, Abruf: 10.03.23).
Zum Abschluss der Einheit wurde mit den Schüler*innen die Frage diskutiert, warum sie eigentlich noch lernen sollten, wenn es die Maschine sowieso besser kann? Grundlage der Diskussion war eine CC-Grafik von Beat Döbeli Honegger (Bild 5 & 6). Dabei zeigten sich deutliche Unterschiede und Argumentationen zwischen den Antworten der Klasse 7b und der Klasse 10a.
Das Ziel der vierstündigen Unterrichtseinheit war es, die Schüler*innen zu einem reflektierten Umgang mit den Ergebnissen von ChatGPT zu befähigen. Dabei wurden sowohl die Chancen als auch die Gefahren der Technologie thematisiert. Im Fach Mathematik werden die KI-Tools im Unterricht der beiden Klassen weiterhin als persönliche Lernhelfer und hoffentlich weniger als „(Haus-) Aufgaben-Erlediger“ eingesetzt.
Patrick Bronner